WEGEN CROWDSTRIKE: HUNDERTTAUSENDE FLUGPASSAGIERE IN DEN USA GESTRANDET

Es war ein unschönes Erwachen für reisewillige Amerikaner: In der Nacht auf Freitag hatte die globale Computerpanne auch zahlreiche amerikanische Airlines und Flugdienstleister paralysiert. Stark betroffen waren ausgerechnet die drei grössten amerikanischen Fluggesellschaften: Delta, United und American Airlines setzten ihre Abflüge allesamt ein paar Stunden lang aus, bevor sie diese am Vormittag schrittweise wieder aufnahmen. Die Schlangen, die sich in den grossen Flughäfen vor dem Kundendienst der Airlines gebildet hatten, verschwanden aber nicht so schnell.

Wie andernorts auf der Welt konzentrierte sich die Flugsicherung auch in den USA zunächst darauf, bereits gestartete Flugzeuge sicher ans Ziel zu bringen. Starts hingegen wurden verzögert beziehungsweise ganz abgesagt. Zudem lässt sich der Betrieb an grossen Flughäfen nicht auf Knopfdruck aus- und anschliessend wieder einschalten; die amerikanische Luftfahrt kämpfte daher den ganzen Tag über noch mit schweren Verspätungen.

Millionen Betroffene

Über 2400 Flüge wurden in den USA gemäss dem Informationsdienst Flightaware.com gestrichen – fast jeder zehnte Flug in den Vereinigten Staaten. Zahlreiche weitere Flüge wiesen zum Teil grosse Verspätungen auf. Von den täglich bis zu drei Millionen Flugpassagieren in den USA dürfte am Freitag ein Grossteil in der einen oder anderen Form von den Störungen betroffen gewesen sein.

Besonders stark von der IT-Panne eingeschränkt wurde ausgerechnet der grösste Passagierflughafen der Welt in Atlanta, den im Jahr 2023 ganze 105 Millionen Reisende genutzt hatten. Hier fiel jeder fünfte An- und Abflug aus, weitere 28 Prozent aller Flüge hatten mit Verspätung zu kämpfen.

Dem Flughafen Atlanta wurde zum Verhängnis, dass ihn Delta Airlines als wichtigstes Drehkreuz nutzt; bei dieser Fluggesellschaft fielen besonders viele Verbindungen aus.

Als klar wurde, dass die Verzögerungen länger andauern würden, wandten sich auch zahlreiche grosse Flughäfen, etwa La Guardia und Newark im Grossraum New York, an ihre Passagiere. Sie rieten ihnen über die Kurznachrichtenplattform X, gar nicht erst anzureisen, falls ihr Flug nicht bestätigt sei. Man wollte vermeiden, dass die Zahl der gestrandeten, umherirrenden Personen noch grösser werden und noch mehr Chaos auslösen würde.

Wichtig für den Binnenverkehr

Die Ausfälle sind für die Fluggäste enorm ärgerlich, die wirtschaftlichen Schäden dürften sich jedoch in Grenzen halten; insbesondere wenn die betroffenen Firmen ihre Lehren aus dem Vorfall ziehen. Dabei stellt der Flugverkehr für die USA nicht nur die Anbindung an die Aussenwelt sicher, sondern ist auch für den Binnentransport sehr wichtig. Gemäss Zahlen des amerikanischen Transportministeriums heben an amerikanischen Flughäfen pro Tag mehr als 20 000 Inlandflüge ab, verglichen mit «nur» 2000 bis 3000 Flügen ins Ausland.

Der Juli ist für die amerikanischen Flughäfen traditionell der betriebsamste Monat im Jahr. Einerseits nutzen viele Familien die lange schulfreie Zeit im Sommer für ausgedehnte Ferien, andererseits sind Kurzferien rund um den Unabhängigkeitstag am 4. Juli beliebt.

Zahlreiche Fluggäste, die von den Medien am Freitag befragt wurden, äusserten grundsätzlich Verständnis für die Fluggesellschaften, auch wenn die Informationen nicht überall gleich rasch flossen. Dem Kundendienst der Airlines hat die Computerpanne auf jeden Fall einen sehr anspruchsvollen Tag beschert.

Kein Vergleich mit der Pandemie

Die Aktie des IT-Sicherheit-Anbieters Crowdstrike, dessen fehlerhaftes Update zahlreiche Microsoft-Geräte und damit auch den Flugverkehr lahmgelegt hatte, büsste am Freitag an der Börse mehr als 10 Prozent ein. Crowdstrike, das seinen Hauptsitz im texanischen Austin hat, muss sich auf schwierige Fragen und Nachforschungen seitens von Regulatoren, aber auch seiner Kunden gefasst machen.

Auf die Titel von Delta, American und United hingegen hatte das Chaos wenig Einfluss. Die Märkte sind sich einig, dass die gestrichenen Flüge die Branche nicht dauerhaft schädigen werden. Auch Hurrikans oder Vulkanausbrüche können den Flugbetrieb kurzfristig lahmlegen – das gehört zum Geschäft.

Zudem haben Airlines und Flughäfen die Corona-Pandemie durchlebt: Im März 2020 brachen die Passagierzahlen ein und normalisierten sich, zumindest in den USA, erst im Sommer 2021 wieder. Wer diese 18-monatige Durststrecke überlebte, wird mit einem einzelnen chaotischen Tag wohl problemlos fertig.

2024-07-20T03:56:07Z