SIND ADULTS-ONLY-HOTELS EINE GUTE SACHE?

Immer mehr Reiseveranstalter haben Erwachsenenhotels im Programm. Das Paradies für Ruhebedürftige oder Diskriminierung von Familien?

Pro: Dürfen, nicht müssen!

Hotels nur für Erwachsene positionieren sich nicht gegen Familien, sondern einfach für eine andere Zielgruppe.

In diesem Zeitalter allseitiger Empörung sollte man sich genau überlegen, worüber es sich noch lohnt, empört zu sein. Angesichts von ein paar Hotels mit «Adults only»-Konzept lohnt es sich nicht. Schon allein, weil es mindestens genauso viele dezidierte Familien- und Kinderhotels gibt. Und zwischen diesen beiden Extremen eine sehr grosse Mitte, mit Hotels jeder Preisklasse, die ihre Gäste nicht altersgerecht sortieren.

Ich habe auch ein Kind, und ich verstehe den kurzen Anflug von «Gehts noch»-Ärger, wenn man so ein Erwachsenenhotel sieht. Gleich danach kommt ein bisschen Neid durch. Meine Frau und ich würden vermutlich gerne ein Wochenende in so einem Hotel antreten, wenn das Kind beispielsweise kleine Ferien bei den Grosseltern macht. Warum nicht? Es böte dann genau das Angebot, das wir uns für diese seltenen Stunden wünschen: Ruhe und kurz Abstand von Kinderthemen und Elterndiskussionen.

Warum sollte sich nicht ein Hotel auf diese Leistung spezialisieren und die Gäste nach zwei Nächten entspannt und mit neuer Kraft zurück ins Tohuwabohu entlassen? Entspannte Eltern sind gute Eltern. Bedürfnisorientierte Erziehung muss gelegentlich auch die Bedürfnisse der Eltern inkludieren.

Sieht man es so, dass sich da ein Hotel eben nicht gegen Familien, sondern sich für eine andere Zielgruppe positioniert, kann man es viel leichter akzeptieren. Special-Interest-Hotels sind auf dem Vormarsch, es gibt welche für Yoga-Fans, Fastenkuren oder Golfer. In den Ferien wollen Menschen ein optimiertes Erlebnis, das Essen ist besser, die Aussicht schöner als zu Hause, und für viele steht Ruhe ganz oben auf der Wunschliste.

Warum sollte man beiden Interessen nicht entgegenkommen, wenn man ein Yoga-Retreat führt oder ein kühl designtes Boutique-Hotel? Soll man lieber allen aufeinandertreffenden Parteien das Abendessen verderben? Den Kindern, weil sie nicht ein Fünfgangmenü durchstehen wollen. Den Eltern, weil sie wie auf Kohlen sitzen und dauernd mahnen müssen. Und den Kinderlosen, weil sie unfreiwillig an diversen Familienleben teilnehmen müssen – und manche dabei in ihrer ungewollten Kinderlosigkeit womöglich getriggert werden?

Kinder sind Menschen. Aber dass sie bei bestimmten touristischen Angeboten nicht erwünscht sind, ist kein Skandal. Es steht einem frei, diese Hotels dann unsympathisch zu finden. Aber man sollte nicht vergessen: Eines der edelsten Merkmale des Menschseins ist die Ambiguitätstoleranz. Schwer auszusprechen, aber leicht zu verstehen: Man kann akzeptieren, dass es andere Standpunkte gibt und andere Lebensweisen als die eigene.

Und man erinnert sich, dass man vor zehn Jahren vielleicht selbst auch andere Prioritäten hatte und in zehn Jahren womöglich wieder. Diese Erkenntnis macht das Leben für alle leichter und hilft besonders dann, wenn wieder eine kleine Empörung hochköchelt.

Kontra: Weniger Only, bitte!

Toleranz ist die Fähigkeit, im Frieden mit Menschen zu leben, die anders sind. Anders alt gehört dazu.

Es ist wie im Zoo: artenreich. Die Touristik ist voller Only-dies-und-only-jenes-Reservate. Zum Beispiel gibt es die Adults Only Cruises von Aphrodite Travel. Das sind Kreuzfahrten nur «für Erwachsene ab 21 Jahren». Noch spezieller sind die «intimen Spielzimmer» von Desire Cruises. Im Detail will man das gar nicht so genau wissen, man ist nicht seefest.

Differenz und Distinktion sind angesagte Ressourcen in einer Ära, die Dutzende von Joghurtarten ins Supermarktregal stellt und die sich immer weniger über Gemeinsinn, Ausgleich und Toleranz definiert. Dafür ist die Gesellschaft immer öfter von Partikularinteressen geprägt. Sollte jemand Ferien im Adults-only-Hotel gebucht haben, um – nur für Erwachsene – einmal am Frühstücksbuffet nicht neben dem kleinen Mädchen stehen zu müssen, das mit dem extragrossen Löffel ins Birchermüesli patscht, so wurde dieser Mensch als erotomanisch verirrter Egozentriker beleidigt. Oder? Seufz. Nein. So einfach ist es nicht.

Man kann sich – tolerant – vorstellen, dass selbst kinderliebende Menschen mal kinderfreie Ferien verdienen. Die Befürworter von Adults-only-Hotels könnten zugeben, dass dieser Begriff letztlich unfreiwillig komisch ist. Fast möchte man sagen: kindisch.

Das exkludierende Wort «only» gibt es auf Garagen-Aufklebern («Harley-Davidson Parking only»), als Herren-Duft («Gentlemen Only») und als Comedy-Serie: «Only Murders in the Building». Aber auch die Metzgerei in den Siebzigerjahren hatte ihr Only-Moment: ein Schild mit stilisiertem Hund. «Ich muss leider draussen bleiben.»

Kinder sind demnach die neuen Hunde im Erwachsenenhotel, das so für sich wirbt: «Kein Geschrei am Pool». Zugegeben, so schlimm ist es nicht, wenn es mal kein Kindermenü im Hotel gibt. Es gibt ein Leben ohne «Pingu-Teller» (Fischstäbchen mit Pommes), «Benjamin Blümchen» (Schnitzel mit Pommes) und «Balu» (irgendwas mit Pommes). Der Autor war schon mal mit seinen Kindern in einem «Kinder-Hotel». Es war satanisch.

Das Seltsame ist doch: Es gibt immer mehr Hotels für Kinder und Familien und immer mehr Hotels für Erwachsene und temporär Kinderlose bis ewiglich Nichtfamiliäre. Irgendwann gibt es wahrscheinlich Hotels only für Männer und only für Frauen. Der Welt kommt womöglich das Allgemein-Verbindliche abhanden – und das Special-Interestige wird in Regalfächer sortiert. Wenn man Ferien in einem kleinen, perfekt aufgeräumten Regalfach machen will – bitte.

Ein Nur-für-Erwachsene-Hotel kann der Horror sein. Etwa dann, wenn am Pool die kreuzfidele Ü-50-Truppe in eine lautstarke Heiterkeit verfällt. Dann wären einem unter Umständen entfesselte Dreijährige im Kids-only-Hotel lieber. Es gibt gut erzogene Kinder und gut erzogene Erwachsene in jedem Alter. Umgekehrt gibt es leider auch andere Menschen, generationsübergreifend. Nicht das Alter ist problematisch, es kommt auf die Manieren an. Auf die Fähigkeit, im Frieden mit Menschen zu leben, die anders sind.

Aber okay, wenn es partout was mit only sein muss, so möchte man Ferien im Only-nette-Menschen-Hotel machen. Wahrscheinlich ist es todlangweilig.

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